Dimensions

2.

Während der Fürst der Hölle mit seinen beiden Gästen finstere Pläne schmiedete saßen Yugi und seine Freunde bei Jonouchi im Wohnzimmer und starrten auf den leeren Platz auf dem vor ein paar Sekunden noch Bakura Ryou gesessen hatte. „Ihr habt das auch gesehen, oder?“, fragte Honda schließlich verwirrt in die Runde. Als wäre ein Bann gebrochen worden fingen plötzlich alle gleichzeitig an zu sprechen: „Wo ist er hin?“ „Ryou, Ryou!!!!!“ Auf einmal sprang Yugi auf und rief: „Daran ist bestimmt wieder der Millenniums Ring schuld.“ “Aber den haben wir doch weggeworfen“, warf Anzu ein. „Na ja, aber im Königreich der Duellanten ist er auch einfach wieder aufgetaucht!“, kam Jonouchi seinem Freund zu Hilfe. Bei so einem guten Argument fiel Anzu auch nichts mehr ein und sie schwieg. Das Millenniums Puzzle wurde aktiviert und Yami-Yugi übernahm Yugis Körper. Das weckte nun auch Kaiba Setos Aufmerksamkeit, denn ob Ryou verschwand oder nicht interessierte ihn nicht wirklich, aber auf Yugis anderes ich hatte er schon lange Zeit ein Auge geworfen. Natürlich würde er das nie zugeben. Yami-Yugi schaute kurz zu Kaiba hinüber und lächelte ihn an. Bevor Kaiba noch reagieren konnte hatte Yami-Yugi sich schon den anderen zugewandt. „Ich denke auch das der Grabräuber wieder dahinter steckt. Das heißt wir müssen uns wabnen, denn uns steht ein großer Kampf bevor, den es zugewinnen gilt!“ Alle, außer Kaiba,  stimmten diesem Plan voller Enthusiasmus zu. Kaiba hingegen hatte noch einen kleinen unbedeutenden Einwand: „Und wie stellt sich der große Pharao das vor?“ Yami-Yugi sah ihn verletzt und verwirrt an. `Verdammt! Warum kann ich nicht einfach mal nett zu ihm sein?`, schallt sich Kaiba in Gedanken selbst.

„Erstmal müssen wir natürlich herausfinden, wohin Ryou verschwunden ist“ erklärte Jonouchi enthusiastisch. Wie immer war er hocherfreut darüber, dass es wieder etwas zu erleben gab. „Also sollten wir ihm folgen.“

„So?“ Kaiba verschränkte die Arme und sah Jonouchi von oben herab an. „Da er sich ja scheinbar in Luft aufgelöst hat und wir nicht die leiseste Ahnung haben wohin er verschwunden ist, gibt es ja nichts Einfacheres als das oder wie?“ Im Gegensatz zu Yami Yugi hatte er bei Jonouchi nicht die geringsten Bedenken wenn er auf ihm herumhackte. Der Junge war einfach so haarsträubend naiv, dass er geradezu danach schrie heruntergeputzt zu werden.

Jonouchi ballte trotzig die Hände zu Fäusten. „Wer hat dich überhaupt gebeten mitzukommen, Seto?“ fragte er mit zusammengebissenen Zähnen. „Du bist nur hier, weil du mit Yami Yugi über irgendeinen Wettbewerb sprechen wolltest. Ryous Verschwinden geht dich im Grunde überhaupt nichts an.“

Da war Kaiba allerdings anderer Meinung. Alles was Yami Yugi etwas anging, ging auch ihn etwas an. Aber das würde er Jonouchi ganz sicher nicht auf die Nase binden. Stattdessen sagte er: „Wenn das hier etwas mit den Mlleniumgegeständen und mit dem Grabräuber zu tun hat ist es viel mehr mein Gebiet als deins, Baka. Vergiss das nicht.“

Yami Yugi schloss ein wenig erschöpft die Augen. Diese Streitereien konnten einen in den Wahnsinn treiben. Und sie brachen immer gerade dann aus, wenn man sie am wenigsten gebrauchen konnte. „Ruhe“ gebot er mit seiner autoritärsten Stimme und tatsächlich verstummten die beiden und sahen ihn erwartungsvoll an. „Jonouchi hat Recht. Wir werden Ryou folgen und herausfinden was geschehen ist.“ Er ging zu dem Punkt an dem Ryou verschwunden war und streckte die Hand aus. Ein seltsamer Anblick bot sich ihnen, als Yamis Hand einfach mitten in der Luft verschwand, als sei sie unsichtbar. Man konnte so etwas wie einen kleinen Wirbel erkennen, als sei die Luft an dieser Stelle des Zimmers in Bewegung. Jonouchi stieß ein überraschtes Keuchen aus.

„Wie ich es mir gedacht habe“ murmelte Yami Yugi. „Ein Dimensionstor. Wir müssen uns beeilen bevor es verschwindet. Anzu, Honda ihr bleibt hier, falls Ryou wieder auftaucht. Kaiba, Jonouchi und ich folgen ihm.

„Yugi!“ reif Anzu erschrocken aus. „Ihr könnt doch nicht einfach… Wer weiß, ob ihr je wieder zurückfindet!“

„Wir können Ryou aber auch nicht einfach im Stich lassen“ sagte Yami Yugi bestimmt. „Wer weiß, in wessen Hände er wieder gerät. Kommt.“

Bevor Anzu weitere Einsprüche erheben konnte, traten Kaiba und Jonouchi neben ihn und zu dritt verschwanden sie im Dimensionsloch.

 

Jonouchi war völlig durchgeschüttelt worden und auch etwas unglücklich gelandet. Stöhnend rieb er sich seine Knie und sah sich um. Trümmer, Trümmer und nochmals Trümmer. Nicht gerade ein gemütlicher Ort wo sie hier gelandet waren. Und düster war es. Und kalt. Er fröstelte, aber nicht nur vor Kälte. Irgendwie herrschte hier eine seltsam bedrückte Stimmung. Er sah sich um und entdeckte Yugi. Yugi? Ja, es war wirklich der richtige Yugi, stellte er überrascht fest. Wie kam das? Er war schließlich mit Yami Yugi losgereist. Nicht, dass es ihn gestört hätte. Yugi war ihm ja irgendwie lieber. Lächelnd ging er auf ihn zu. „Alles in Ordnung?“ fragte er fürsorglich.

Yugi sah benommen auf. „Er ist nicht mehr da Jonouchi.“ Sagte er mit weinerlicher Stimme. „Ich kann ihn nicht mehr spüren, den anderen Yugi.“ Er sah aus, als sei er kurz davor zu weinen. „Und das Millenniumspuzzle ist weg.“

 

Meilen und Meilen entfernt in einem völlig anderen Teil des Hades hielt Kaiba Yami Yugi im Arm. Ein nicht gerade alltäglicher Anblick, der sich aber dadurch erklären ließ, dass Yami bei dem Sturz aus dem Dimensionstor das Bewusstsein verloren hatte. Sie hatten weniger Glück gehabt und waren aus ziemlicher Höhe herabgestürzt. Kaiba gab nicht einmal vor sich selbst zu, dass er sich tatsächlich Sorgen um seinen Erzfeind machte, aber er hatte nicht anders gekonnt, als ihn schützend in seine Arme zu ziehen. Yami hatte eine blutende Wunde auf der Stirn. „Hey, wenn dich jemand fertig macht, dann bin ich das, also wach gefälligst auf“ sagte er ruppig. Aber er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme ein wenig zitterte.

Und das was er jetzt spürte, als Yami die Augen aufschlug … was das etwa Erleichterung? Das konnte doch nicht sein, oder?

Yami setzte sich jetzt ruckartig auf. „Wo ist er?“ fragte er und sah Kaiba mit weit aufgerissenen Augen an.

„Jonouchi?“ Kaiba zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Ein Problem weniger.“ Irgendwie war es ihm erstaunlich Recht hier mit Yami alleine zu sein. Nur, weil er ihm so besser Schaden zufügen konnte natürlich, fügte er in Gedanken schnell hinzu.

„Ich meine nicht Jonouchi. Ich meine Yugi. Ich fühle ihn nicht mehr“ sagte Yami atemlos.

 

„Wir haben Besuch!“, unterbrach Kira plötzlich Mariks Vorstellung seines genialen Plans. Kato war völlig verwirrt ob des Ausspruches seines Freundes. „Man Alter, das weiß ich. Wir unterhalten uns schließlich seit mindestens ner Stunde mit deinen Gästen.“ (die Zeit vergeht im Hades halt etwas schneller, als auf der Erde) Auch Bakura und Marik waren im ersten Augenblick verwirrt, aber dann bemerkten sie das ihre Millenniums Gegenstände auf irgendetwas zu reagieren begannen. Bakuras Ringspitzen (oder wie auch immer man das nennt) zeigten nach rechts, während Mariks Stab für einen kurzen Moment aufleuchtete. Überflüssiger Weise sagte Bakura: „Ein weiterer Millenniums Gegenstand muss hier sein.“ Marik warf ihm einen Blick zu, der ganz klar sagte ‚Danke, da wär ich alleine nie drauf gekommen’ woraufhin ihn Bakura böse ansah. Währendessen erklärte Kira seinem Kumpel: „Das weiß ich auch. Ich meine ja auch andere Besucher als diese beiden. Da die Hölle aus meinem Körper besteht kann ich fühlen wenn hier jemand auftaucht, der nicht hier hergehört. Wollen doch mal sehen wer diese Leute sind.“ Luzifer wandte sich der Wand zu und sprach einige Wörter in der Alten Engelssprache woraufhin die Wand anfing zu glühen und dann den Blick auf Kaiba und Yami freigab. Alle vier verfolgten gespannt wie Kaiba Yami aufhalf und als dieser drohte wieder umzufallen legte er Yami kurzerhand den Arm um die Taille und stützte ihn so. Yami blickte ihn verwundert und dankbar zugleich an und schenkte seinem Erzfeind ein warmes Lächeln. Der sonst so stolze Seto Kaiba konnte sich nicht helfen und lächelte zaghaft zurück. Für einen Augenblick trafen sich ihre Blicke und sie verloren sich in den Augen des anderen. Fast gleichzeitig senkten sie den Kopf und ein zarter Rotschimmer zierte ihre Wangen. „Ich glaub’s nicht.“, riefen Bakura und Marik fast gleichzeitig aus. „Der Pharao flirtet mit Kaiba!“, vollendete Marik schließlich den Satz.

Das Bild änderte sich und diesmal konnten die vier Zuschauer verfolgen wie Jonouchi den kleinen Yugi versuchte aufzuheitern. „Wieso sind Yugi und der Pharao getrennt, aber Ryou und ich nicht?“, wollte Bakura wissen. Kira blickte ihn leicht irritiert an: „Wovon redest du? Wer sind diese Fremden, woher kennt ihr sie, wer ist Ryou und was hat das ganze mit euren Gegenständen zu tun?“ Nach diesen vielen Fragen musste der Höllenfürst erst einmal Luft holen. Marik und der Grabräuber sahen ihn ganz ruhig an: „Und welche deiner Fragen sollen wir zuerst beantworten?“, fragte Marik unschuldig. „Was nicht heißt, das wir weder gewillt noch verpflichtet sind dir irgendwas zu erklären!“, fügte Bakura mit seinem gemeinsten Grinsen hinzu. Kira drehte sich zu Kato um und flüsterte so leise in sein Ohr das nur er es verstehen konnte: „So langsam gehen sie mir tierisch auf den Geist und für meinen Geschmack verstehen sie sich etwas zu gut.“ Laut sagte er: „Dann lasst es halt bleiben. Ich finde es auch ohne eure Hilfe heraus.“ Zu Kato gewandt fügte er hinzu: „Komm, wir gehen uns diese Eindringlinge etwas genauer ansehen.“ Kato grinste seinen Freund an, streckte sich und meinte lässig: „Endlich wird’s spannend. Langeweile Ade!“

 

Marik und Bakura sahen Kira und Kato unbeeindruckt nach, als diese den Thronsaal verließen. „Komische Typen“ bemerkte Bakura.

„Ich weiß nicht, irgendwie gefallen sie mir“, sagte Marik nachdenklich. „Jedenfalls Kira. Er scheint auf jeden Fall ein interessanter und mächtiger Gegner zu sein.“

Bakura sah seinen Verbündeten mit hochgezogenen Augenbrauen an und beschloss das Thema zu wechseln. „Dass ich allerdings ausgerechnet dich hier wieder treffe Marik …“ Es überraschte ihn selbst, dass er sogar ziemlich angetan davon war hier ausgerechnet auf Marik zu treffen. Auch Marik sah ihn nachdenklich an. „Ja, es scheint tatsächlich so etwas wie Schicksal zu sein…“ er brach ab und Bakura räusperte sich verlegen.

„Lass uns doch die Zeit während die beiden weg sind lieber sinnvoll nutzen“, lenkte Marik ein.

Bakura sah ihn mit ziemlich großen Augen an. Das kam jetzt etwas überraschend. „Was meinst du mit sinnvoll?“ fragte er gespannt.

„Ich meine natürlich sinnvoll für unsere Pläne. Was denn sonst?“ fragte Marik Stirn runzelnd.

„Oh“ hauchte Bakura und wurde ein klein wenig rot. „Natürlich.“

„Das dort müsste dich doch interessieren.“ Marik zeigte auf die Wand, die immer noch den Blick auf Yugi und Jonouchi frei gab. „Yugi hat das Millenniumspuzzle verloren. Wahrscheinlich auf seiner Reise durch die Dimensionen. Das erklärt wahrscheinlich auch, warum er und Yami getrennt hier ankamen.  Eigentlich brauchst du es also nur zu suchen und an dich zu bringen. Um es zu finden wirst du natürlich meine Hilfe brauchen und ich wiederum werde dadurch bei Gelegenheit deine Dienste in Anspruch nehmen. Ich habe es ja gewusst. Durch diese Tore öffnen sich für uns im wahrsten Sinne des Wortes ganz neue Dimensionen.“ Er sah Bakura böse lächelnd an.

 

Yami schlug sich wirklich tapfer, auch wenn die Wunde an seinem Kopf noch immer blutete. Kaiba merkte allerdings, dass er immer wieder strauchelte und sich stärker auf ihn stützte. Schließlich trug er seinen Lieblingsgegner mehr, als dass dieser selbst lief und nach ein paar weiteren Metern brach Yami schließlich erschöpft zusammen.

„Yami!“ Kaiba kniete neben ihm nieder. Yami sah sehr schlecht aus. Der provisorische Verband um seine Stirn, den Kaiba ihm aus einem Stück Stoff gefertigt hatte war durchgeblutet und seine Wangen glühten, trotz der Kälte. Offensichtlich hatte er Fieber bekommen. Kaiba zog seinen Mantel aus und breitete ihn über Yami, der wie immer nur leicht bekleidet war aus. Dann sah er sich verzweifelt um. Yami brauchte wenigstens Wasser. Aber hier waren weit und breit nur Trümmer und Felsen. So weit das Auge reichte. Und alles war düster und kahl.

Wütend schlug er mit der Faust auf den Boden. Er fühlte sich hilflos und er hasste dieses Gefühl. Er konnte es nicht ausstehen, nicht alles unter Kontrolle zu haben. Außerdem war da ein seltsames Gefühl in seiner Brust. Das hatte er bislang nur erlebt, wenn Mokuba in Gefahr gewesen war. Diese Angst, diese Verzweiflung… und jetzt fühlte er es anscheinend wegen Yami. Was machte es jetzt noch für einen Unterschied das zu leugnen?

Yami schlug die Augen auf und suchte seinen Blick. „Geh allein weiter Kaiba“ sagte er mühsam. „Du musst Yugi und Jonouchi finden und mit ihnen irgendwie nach Hause kommen. Die beiden sind hier doch alleine völlig hilflos und Mokuba braucht dich.“

Kaiba schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht. Du würdest mich in dieser Situation nie im Stich lassen.“

„Aber du kannst nichts für mich tun und ich halte dich nur auf. Ich werde schon allein zurecht kommen. Bitte geh.“

„Hör auf!“ sagte Kaiba fast wütend. Entschlossen hob er Yami auf seine Arme und stand auf. „Wenn du nicht mehr laufen kannst, dann trage ich dich eben. Keine Widerrede.“

Yami wollte noch etwas erwidern, aber er sah, dass Kaiba fest entschlossen war.

„Danke“ flüsterte er und verlor das Bewusstsein.

Ende Teil 2

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