Review: After School Nightmare

Down to the earth I fell
With dripping wings
Heavy things won't fly
And the sky might catch on fire
And burn the axis of the world
That's why I prefer a sunless sky
To the glittering and stinging in my eyes

(Nina Gordon)

„After School Nightmare“ ist seit längerem Mal wieder in Manga, dessen Geschichte mich wirklich gefesselt hat. Es geht um Mashiro Ichijo, dessen Körper halb männlich und halb weiblich ist. Während er den Oberkörper eines Mannes hat, ist sein Unterkörper der einer Frau. Mashiro lebt als Mann aber er leidet sehr unter seiner eigenen Androgynität. Sein größter Wunsch ist es, endlich ganz und gar ein Mann zu sein. Er hat große Angst davon, dass sein Geheimnis in der Schule aufgedeckt werden könnte.
Am Anfang der Geschichte tritt er aus der Kendo-AG aus. Sein Mitschüler Sou vermutet, dass es daran liegt, dass er Mashiro vor kurzem haushoch geschlagen hat, aber Mashiro versichert, dass das nicht der Grund ist. Allerdings bekommt man das Gefühl, das Sou etwas über Mashiros Geheimnis weiß und Mashiro ihm deswegen aus dem Weg gehen möchte. Mashiro hat auch das Gefühl, dass in seiner Schule Schüler verschwinden. Ihm fallen leere Plätze und Spinde auf, auch wenn er sich nie an deren Eigentümer erinnern kann und auch seine Mitschüler sich nicht zu erinnern scheinen.
Von einer Lehrerin, die Mashiro noch nie gesehen hat, wird er aufgefordert an einem Unterricht nach der Schule teilzunehmen, der in einem Sanitätsraum stattfindet, welcher Mashiro ebenfalls vollkommen unbekannt ist. Hier werden die Schüler in eine Traumwelt versetzt, in welcher sie die Gestalt annehmen, die ihr wahres Ich widerspiegelt und dadurch auch ihre Ängste und Wünsche offen legt. Natürlich ist das gerade für Mashiro eine schreckliche Herausforderung, denn schließlich war es immer sein Ziel, seinen Körper vor anderen geheim zu halten. In der Traumwelt muss er sich nun mit seiner Situation als Hermaphrodit auseinandersetzen. Die Lehrerin erklärt ihm, dass er diesen Traumunterricht bestehen muss, um die Schule absolvieren zu können. Die Schüler, die verschwunden sind, hatten in der Traumwelt bereits Erfolg, und sind von der Schule abgegangen.

In der Traumwelt, die das verlassene Schulgebäude widerspiegelt, sind außer ihm noch andere Schüler unterwegs, die man allerdings nicht erkennen kann, da sie im Traum meist eine andere Gestalt annehmen. Mashiro begegnet zunächst einem verwirrten kleinen Mädchen in einem zerrissenen Regenmantel und nur einem Schuh, das ihm offenbart, dass es Männer hasst. Sie wirkt schwach, aber ihr Hass lässt eine der drei Kugeln zerspringen, die Mashiro um den Hals trägt. Diese Kugel zerbrechen, wenn die Seele des Trägers verletzt wird. Sind alle drei Kugeln zerbrochen, wurde der Unterricht in dieser Stunde nicht bestanden und der Träger erwacht, um in der nächste Woche wieder am Traumunterricht teilzunehmen. Zu Mashiros Entsetzen erkennt das kleine Mädchen jetzt jedoch, dass er ebenfalls weiblich ist und er trägt die Schuluniform für Mädchen. Dadurch zerspringen auch die anderen Kugeln und Mashiro erwacht.
Zwar war das Erlebte für ihn verstörend, aber die Lehrerin klärt ihn darüber auf, dass er in der Traumwelt die Aufgabe hat, sich mit seiner Seele und seinem Körper auseinanderzusetzen, den er bisher nicht akzeptieren kann. Ihm bleibt keine Wahl, als weiter am Unterricht teilzunehmen.
In der Traumwelt begegnet Mashiro weiteren unheimlichen Gestalten. Eine Schülerin erscheint mit einem Loch, wo eigentlich ihr Gesicht sein müsste, da sie ihre Identität verloren hat, ein weiterer Mitspieler besteht nur aus Armen und Händen, die versuchen, die Mitspieler zu erfassen. Am meisten fürchtet sich Mashiro jedoch vor der Rüstung, die ihm ohne Rücksicht ein Schwert in den Köper bohrt und die Kugeln um seinen Hals mühelos zerspringen lässt. Mashiro kann nicht fassen, wie jemand auch im Traum so grausam sein kann. Die mächtigste Mitspieler erscheint in der Gestalt eines schwarz gekleideten Mädchens, das über sehr große Kräfte verfügt und mit den anderen Teilnehmern spielt.

Mashiro versucht herauszufinden, wer die anderen Mitspieler sind, da er in der Traumwelt in seinem eigenen Körper erscheint und so für alle erkennbar ist. Er findet heraus, dass es sich bei dem Mädchen im Regenmantel um seine Mitschülerin Kureha handelt, da sich diese nach dem Unterricht bei ihm dafür entschuldigt, dass sie ihn im Traum verletzt hat. Sie schämt sich dafür, in einer so schwachen und mitleiderregenden Gestalt zu erscheinen und bittet Mashiro, niemandem davon zu erzählen. Sie erklärt ihm auch, dass es in der Traumwelt sein Ziel ist, den Schlüssel zum Tor nach draußen zu finden, welcher meist in dem Körper eines Mitspielers verborgen ist.
Kureha mag Mashiro, da sie vor ihm keine Angst haben muss, obwohl sie sich sonst vor Jungen fürchtet und bittet ihn darum, mit ihr Freundschaft zu schließen.
Mashiro vermutet, dass es sich bei der Rüstung, die ihn in der Traumwelt so stark zusetzt um Sou handelt, da dieser offenbar von seiner Identität weiß. Er will unbedingt herausfinden, ob er mit seiner Vermutung recht hat.
Sou, der auf Grund seiner Attraktivität ein großer Frauenschwarm ist, lässt sich mit unterschiedlichen Mädchen ein und wird von Mashrio sogar dabei ertappt, wie er auf der Krankenstation mit einer von ihnen schläft. Mashiros Vermutungen, dass es sich bei ihm um die Rüstung handelt, verdichten sich.
Er erfährt, dass Kureha deswegen so einen Abscheu gegen Männer hegt, weil sie als kleines Mädchen vergewaltigt wurde und beschließt, sie in der Traumwelt zu beschützen. Er glaubt sogar, sich in sie verliebt zu haben und die beiden werden ein Paar.

Sou lässt ihm jedoch keine Ruhe und konfrontiert ihn erneut damit, dass er eigentlich eine Frau sei. Und auch wenn Mashiro diese Behauptung scharf zurückweist, küsst Sou ihn schließlich und stürzt Mashiro damit in noch größere Verwirrung über seine Identität. Sou gesteht ihm schließlich sogar, dass er sich in ihn verliebt hat, aber warum quält er dann Mashiro in der Traumwelt so sehr? Oder ist er doch nicht die Rüstung? Und was für eine Rolle spielt Sous geheimnisvolle Schwester, die behauptet, dass Sou nie jemand außer ihr selbst leiben kann?

„After School Nightmare“ hat mich schon auf den ersten Seiten in seinen Bann gezogen. Hier wird eine sehr dichte und komplexe Geschichte erzählt, die immer neue Wendungen nimmt. Fas alle Charaktere sind ambivalent und vielschichtig und nicht von Anfang an zu durchschauen. Gerade Kureha, die meist als liebes und unschuldiges Mädchen auftritt, scheint auch eine äußerst dunkle Seite zu haben. Die Traumwelt wirkt äußerst verstörend und aufwühlend, gerade weil die Gestalten darin, das Innere von ganz normalen Schülern widerspiegeln. Mich hat dabei besonders das Schicksal des Mädchens ohne Gesicht berührt. Es ist spannend, darüber zu rätseln, wer die Traumgestalten in der realen Lebenswelt von Mashiro sind und natürlich auch sein eigener Kampf mit seiner Identität spannend zu verfolgen. Mit seiner Annäherung an Sou scheint auch seine weibliche Seite mehr die Oberhand zu übernehmen, während er sich dadurch gleichzeitig von Kureha entfernt, die er eigentlich beschützen will. Dennoch scheint auch Sou ihn nicht wirklich akzeptieren zu wollen wie er ist und nur seine weibliche Seite sehen zu wollen.

Normalerweise kann ich mit dem Thema Transsexualität oder in diesem Fall Zweigeschlechtlichkeit in Mangas nicht so viel anfangen, da das Thema meist oberflächlich und lapidar behandelt wird. In diesem Fall kann man aber Mashiros innere Zerrissenheit gut nachvollziehen. Man fühlt wirklich mit ihm und hofft, dass er dahin kommen kann, seinen Körper anzunehmen wie er ist, ohne sich in eine Schublade drängen zu lassen. Durch die Traumwelt und das ungewisse Schicksal der Schüler, erhält der Manga eine Düsternis und Tiefgründigkeit, die mir sehr nahe gegangen ist. Meiner Meinung nach ist „After School Nightmare“ mit seiner zwielichtigen Atmosphäre vermutlich näher am Alltag einer Schule, als viele der gut gelaunten Schul -Mangas, die man meistens liest. Ich bin sehr gespannt auf die weiteren Bände.

Setona Mizushiro widmete sich lange Shonen-Ai und Yaoi Mangas, bevor sie mit den Shojo Mangas „Diamond Head“ und „Tag X“ (ebenfalls in Deutschland erschienen) ihren Durchbruch hatte. Das lässt natürlich hoffen, dass sie eines Tages wieder einen echten Shonen-Ai Manga mit einer ähnlich dichten story schreibt. Natürlich hat „After School Nightmare“ Züge eines Shonen-Ai Mangas, ich würde ihn aber bisher nicht zwingend in diese Kategorie einordnen, da Sou Mashiro bisher nur als frau sieht und dieser sich noch nicht ganz darüber klar zu sein scheint, welchem Geschlecht er sich wirklich näher fühlt.
Auch Setona Mizushiros Zeichnungen schaffen es zum einen die alptraumhafte Welt des Traums wiederzugeben und gleichzeitig die zärtlichen Momente zwischen Kureha und Mashiro oder auch später zwischen ihm und Sou einzufangen. Die Titelbilder haben eine traumhafte Farbgebung.

  General Info

 

Japanischer Titel: Hokago Hokenshitsu
Mangaka: Setona Mizushiro
Sprache: deutsch
Verlag: Japan: Akita Publishing 2005
Deutschland: Carlsen 2009
Bände:  10
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Shonen-Ai-Meter: (3)